Geschichte Hussitenkriege
Sie sperrten die Gefangenen in Scheunen und zündeten sie an
Mit einer revolutionären Taktik hatten die Hussiten seit 1420 mehrere Ritterheere vernichtet. Aber nachdem die Gemäßigten ihren Frieden mit dem König gemacht hatten, kam es 1434 bei Lipan zur Entscheidungsschlacht mit den Radikalen.
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Die Truppen, die am 30. Mai 1434 bei Lipan (Lipany) in Mittelböhmen gegeneinander aufmarschierten, zählten zu den gefürchtetsten Kämpfern ihrer Zeit. Fünf Kreuzfahrerheere hatten die Hussiten seit 1420 vernichtend geschlagen, die Länder bis an die Küsten der Ostsee siegreich (und plündernd) durchzogen, ohne dass schwer bewaffnete Ritter ihnen Einhalt zu bieten vermochten. Jetzt bei Lipan, waren es die Kameraden von einst, die gegeneinander antraten, um den Machtkampf um die Zukunft ihrer Bewegung zu entscheiden. Sollte in Böhmen von nun an der gemäßigte Flügel der Hussiten, die Utraquisten, das Sagen haben oder der radikale, die Taboriten?
Der Konflikt reichte bis in die Zeit ihrer Formierung zurück. Nachdem der Prager Prediger Jan Hus 1415 auf dem Konzil von Konstanz wegen seiner Kritik an der real existierenden Papstkirche als Ketzer zum Tode verurteilt und verbrannt worden war, hatten sich seine Anhänger in Böhmen 1417 auf vier Prager Artikel als Grundlage ihrer Gemeinschaft verständigt. Danach sollte die Predigt in der Sprache des Volkes gehalten, das Abendmahl mit Brot und Wein auch von Laien gespendet, Priester auf Armut verpflichtet und die Todsünden unnachsichtig verfolgt werden.
Da sich König Wenzel IV. und sein Nachfolger, König Sigismund, diesem Programm verweigerten und die Päpste seine Anhänger zu Ketzern und damit Freiwild erklärte, hatten sich wiederholt Kreuzfahrer zusammengefunden, um durch ihre Beteiligung am Kriegszug nicht nur den Ablass ihrer Sünden zu erhalten, sondern im reichen Böhmen auch schöne Beute zu machen. Aber die Hussiten wussten sich zu wehren und fanden in dem erfahrenen Söldnerführer Jan Žižka einen genialen Anführer.
Indem er seine Truppe unter dem Motto „Bruder Jan vom Kelch“ trainierte, führte er Opferbereitschaft und Disziplin zusammen. In den Handwerksbetrieben Prags und anderer Städte, die von den Hussiten gewonnen wurden, fand er das Know-how für die Umrüstung von bäuerlichen Werkzeugen zu Waffen und – vor allem – für den Einsatz von Schießpulver. Damit entwickelte Žižka eine revolutionäre Taktik.
Sensen wurden zu Spießen umgeschmiedet und Dreschflegel mit Nägeln versehen. Die Wagen, die in Friedenszeiten dem Warentransport dienten, wurden mit hohen Holzwänden verstärkt, in die Schießscharten eingelassen waren. Darauf wurden Hakenbüchsen montiert, deren Rückstoß von einem Haken aufgefangen wurde, der auf der Wagenkante festgemacht war. Die Wagen wurden mit Ketten verbunden, sodass sie eine bewegliche Burg bildeten. Die Zwischenräume wurden mit großen Setzschilden (Pavesen) gedeckt.
Damit wurde der Wagen-Tross, der bei den zeitgenössischen Heeren eine schwache Achillesferse darstellte, zum mobilen Zentrum der Schlachtordnung. Auf den Fahrzeugen wurden Proviant und Material transportiert, während Vorausabteilungen mit Werkzeugen die Wege freiräumte. Kavallerie übernahm die Flankensicherung. Disziplin sorgte für das geordnete Zusammenspiel der Einheiten, deren Marschgeschwindigkeit für Entsetzen sorgte.
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An diesen Wagenburgen prallten die Angriffe der schwer bewaffneten Panzerreiter ab. Im Gegenzug stürmten die Reiter und Fußsoldaten der Hussiten durch Öffnungen zum Gegenangriff und fassten die im Handgemenge an den Wagen gebundenen Angreifer im Rücken. Auf diese Weise wurden die Hussiten zu einer fanatischen und erbarmungslosen Truppe, die in ihrer Siegesgewissheit einen unüberwindlichen Gegner darstellte, urteilt der Historiker Manfred Alexander.
Allerdings war über ihre Siege die Einheit der Hussiten zerbrochen. Während die Gemäßigten in Adel und Bürgertum bereit waren, auf der Basis der Prager Artikel ihren Frieden mit König Sigismund zu machen, lehnten die Taboriten – sogenannt nach den heiligen Bergen, auf denen sie ihre Lager errichteten – in Erwartung des nahen Jüngsten Gerichts jeglichen Ausgleich mit der katholischen Kirche ab. Nachdem das Konzil von Basel 1433 den Utraquisten das Laienabendmahl in beiderlei Gestalt zugestanden hatte, fiel es ihnen daher zu, ihre radikalen Glaubensbrüder auszuschalten.
Mit vielleicht 14.000 Mann war das Heer der Utraquisten etwas größer als das ihrer Gegner, die dafür über mehr Kampferfahrung verfügten. Auch war es den Führern der Taboriten, Andreas Prokop und Jan Čapek aus Saan, gelungen, früh ihre Wagenburg auf erhöhtem Gelände bei Lipan in Stellung zu bringen. Dort erwarteten sie ihre Gegner, die sich den Risiken eines direkten Angriffs wohl bewusst waren.
Diwisch Borek von Miletin, der Feldhauptmann der Utraquisten, der schon an der Seite Žižkas gekämpft hatte, entwickelte daher den Plan, seine besten Reiter in einer Senke zu verbergen, die vom Feind nicht eingesehen werden konnte. Am frühen Nachmittag schickte er das Gros seiner Leute zu einem Scheinangriff gegen die Wagenburg der Taboriten.
Dort war man überzeugt, den Gegner mit der erprobten Taktik schlagen zu können. Tatsächlich täuschten die Angreifer bald Konfusion und Panik vor und zogen sich scheinbar ungeordnet zurück. Prokop öffnete daraufhin die Wagenburg und setzte Čapek auf die Verfolgung an. Der erkannte zu spät, dass sich die zurückweichenden Truppen wieder sammelten und ihn in Schlachtreihe erwarteten. Zur gleichen Zeit brachen in seinem Rücken die Reiter der Utraquisten in die geöffnete Wagenburg ein.
Die Niederlage war vollkommen. Zwar konnte sich Jan Čapek mit einem Teil seiner Leute in das nahe Kolin durchschlagen. Aber wohl mehrere tausend Taboriten fielen den Siegern in die Hände, die eine fürchterliche Abrechnung inszenierten. Die meisten Gefangenen wurden noch auf dem Schlachtfeld umgebracht. Etwa tausend von ihnen sperrten die Sieger in Scheunen ein und zündeten sie an. Damit war die militärische Kraft der Radikalen gebrochen. Zwar leisteten einige Taboriten weiterhin Widerstand, aber 1437 wurde ihre letzte Armee vernichtet.
1898 setzte der tschechische Maler „Die Schlacht bei Lipany“ auf einem riesigen Gemälde in Szene. Das größte Panoramabild Tschechiens wird seit 1991 auf dem Prager Messegelände als nationales Kulturerbe verwahrt. In diesem Sinn wird die Schlacht auch am 27. Mai in einer großen Reenactment-Schau auf historischem Gelände nachgestellt.
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Author: Cynthia Cameron
Last Updated: 1699135204
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