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Vor einem Jahrhundert herrschte in Karlsruhe eine "Hyperinflation" mit einem Preis von 90 Milliarden Mark für ein Kilo Kartoffeln


Deutschland braucht Geld, um den Ersten Weltkrieg zu finanzieren

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Die deutsche Inflation von 1923 ist eine sogenannte "Hyperinflation" gewesen – eine unkontrollierbare Inflation, in der sich das Preisniveau sehr schnell erhöht. Eigentlich liegen die Wurzeln dafür im Ersten Weltkrieg und auch mit der Vermehrung des gedruckten Geldes.

Deutschland finanziert den Ersten Weltkrieg mit Hilfe von neun Kriegsanleihen, die von der Bevölkerung gezeichnet werden. Sogar in den Schulen wird Druck gemacht, den Krieg zu finanzieren: Im März 1917 zeichnen die Schulkinder in Bruchhausen bei Ettlingen zur 6. Kriegsanleihe einen Betrag von 1.700 Mark.

In der Inflationszeit nach dem Krieg sind diese Anleihen jedoch wertlos. Manche andere Länder finanzieren den Krieg durch Steuererhöhungen, jedoch verzichtet das Deutsche Reich darauf. Die Notenpresse fängt bereits während des Krieges an, aber ab 1919, auf Grund der hohen Reparationszahlungen, beginnt die Inflation mit der massiven Ausweitung der Geldmenge.

Mängel überall – Lebensmittel werden rationiert

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Während und vor allem gegen Ende des Krieges kommt es zu Mangel in der Nahrung und Bekleidung. Mehrere Lebensmittel, darunter Brot, Eier und Milch, werden rationiert und die Preise steigen. Parallel dazu wird die Bevölkerung wiederholt aufgefordert, Kupfer- und Zinngegenstände abzugeben. Im November 1918 sind die Schulden des Reichs 150 Milliarden Mark.

Geldschein der Nähmaschinenfabrik Haid und Neustraße in Karlsruhe
Geldschein der Nähmaschinenfabrik Haid und Neustraße in Karlsruhe | Bild: Katherine Quinlan-Flatter, Privatsammlung

Außerdem muss Deutschland Reparationen bezahlen. Diese Probleme werden über das Drucken von zusätzlichem Papiergeld gelöst. Dadurch weist im Oktober 1923 die Mark nur noch ein Tausendstel ihres Wertes vom August 1914 auf. Manche deutsche Städte führen sogar ihre eigene Geldnoten ein, sogenannte Notscheine. Karlsruhe druckt Scheine mit der Aufschrift "Landeshauptstadt Karlsruhe". Auch Karlsruher Firmen, wie die Nähmaschinenfabrik Haid und Neu, druckt eigenes Notgeld.

Das Ruhrgebiet wird besetzt, die Arbeitslosigkeit steigt

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Da das Deutsche Reich mit den Reparationszahlungen nicht nachkommt, besetzen ab Anfang 1923 französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet. Die Regierung fordert zum "passiven Widerstand" auf und das Land wird durch Generalstreiks teilweise lahmgelegt.

Die Bezahlung der Löhne von der Regierung wird auch durch die Notenpresse geleistet – was jetzt zu der Hyperinflation mit sehr hoher Inflationsrate und einem teilweisen Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft führt. Gleichzeitig steigt die Arbeitslosigkeit und die KPD – die kommunistische Partei – wird immer stärker. Der Widerstand im Ruhrgebiet wird im September abgebrochen und jetzt sucht die Regierung nach Methoden, um die Währung zu stabilisieren.

Ernste Lage in Karlsruhe

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In Karlsruhe ist die Lage ernst. Zu den alten und kranken Menschen kommen jetzt noch die Arbeitslosen, die auf der Straße liegen und deren Zahl täglich wächst. In der Fächerstadt gibt es bereits 3.000 Arbeitslose, die zwar Unterstützung bekommen, aber es reicht nicht aus. Die Stadt ruft zur Freiwilligenhilfe auf. Preise für Brennholz sind auch in die Höhe geschossen.

Im Frühjahr 1922 kommt es bei einer im Gemeindewald von Durmersheim abgehaltenen Versteigerung von Geboten bis zu 1.000 Mark für 2 Kubikmeter Holz. Im April 1922 sind in Karlsruhe die Preise von Fleisch so gestiegen, dass "wenn nicht in allerletzter Stunde die Regierung gegen den ‘wilden Handel‘ agiert, dann der Ruin des Metzgergewerbes nicht mehr aufzuhalten sei", schreibt die Badische Presse.

10.000 Mark Geldschein der Stadt Karlsruhe
10.000 Mark Geldschein der Stadt Karlsruhe | Bild: Katherine Quinlan-Flatter, Privatsammlung

Anfang Oktober 1923 kostet ein 1500-Gramm Brotlaib schon 26 Million Mark. Die Stadt Karlsruhe ist bestrebt, den Preis so niedrig wie möglich zu halten. Es wird aber damit gerechnet, dass der Preis in Kürze auf ca. 8 Milliarden Mark festgelegt werden muss.

Die Einführung der Rentenmark

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Unterschiedliche Lösungen zur Stabilisierung der Währung werden jetzt vorgeschlagen. Der Plan, eine neue Währung einzuführen, wird schließlich umgesetzt. Bis 1918 war die Goldmark als Währung gültig. Die Papiermark war die inoffizielle Bezeichnung für die in den Jahren 1919 bis 1923 gedruckten Banknoten. 

Jetzt soll die sogenannte Rentenmark, von dem privatwirtschaftlichen Institut Rentenbank ausgegeben, diese Währungen ersetzen. Mit der Einführung der Rentenmark am 15. November 1923 ist die Inflation beendet. "Gleichzeitig wird die Notenpresse stillgelegt werden", schreibt das Karlsruher Tagblatt am 13. November."

5 Millionen Mark - Geldschein der Stadt Karlsruhe
5 Millionen Mark - Geldschein der Stadt Karlsruhe | Bild: Katherine Quinlan-Flatter, Privatsammlung

Die Quelle der Inflation ist der Notendruck und dies wird mit einem Schlage versiegt – nur auf diese Weise lassen sich Arbeitslosigkeit und Lebensmittelmangel wirksam bekämpfen". Der Wert einer Rentenmark wird mit einer Billion Papiermark festgelegt, also identisch mit der Goldmark im August 1914. Obwohl diese Rentenmark kein gesetzliches Zahlungsmittel ist, muss sie überall akzeptiert werden und sie bleibt bis 1925 im Umlauf.

Populismus wird immer stärker

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In Baden wird die KPD, die kommunistische Bewegung, immer stärker. In letzter Zeit werden immer mehr Versammlungen gehalten und kommunistische Zeitungen gedruckt.

Das Grauen und die Schatten des Ersten Weltkriegs, jetzt direkt gefolgt von Nahrungsmangel, Hungernot, Arbeitslosigkeit und massiver Inflation, führen zur Unzufriedenheit mit der Weimarer Republik und lassen die Tore offen für populistische Bewegungen, die behaupten, Lösungen anzubieten. Und in der Karlsruher Zeitung vom 25. August 1922 liest man von den ersten Tönen einer rechtsradikalen Bewegung.

"In der Luft des Münchener Hofbräuhauses ist man für radikale Lösung wirtschaftlicher und politischer Fragen erst in der letzten Zeit geeigneter geworden, seitdem Adolf Hitler, der Führer der Nationalsozialisten, im Festsaale seine Stoßtruppen um sich gesammelt und angefeuert hat."

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Author: Bruce Scott

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